Wurden die Kinderdörfer vor mehr als 60 Jahren für Kriegswaisen gegründet, leben heute fast nur Kinder in Bethanien, die eine leibliche Familie haben. Wenn diese die Bedürfnisse des Kindes nicht erfüllen können oder sogar das Kindeswohl gefährdet ist, entscheidet das Jugendamt, dass die Kinder aus der Familie heraus – genommen werden. „Trotz aller Schwierigkeiten, die es in der leiblichen Familie gibt, ist es uns wichtig, wertschätzend und freundlich mit den Eltern umzugehen“, erklärt Erziehungsleiterin Brigitte Jacobs. „Denn die leibliche Familie hat egal was in den Familien vorgefallen ist, einen hohen Stellenwert im Leben der Kinder.“
Deswegen versuchen die Pädagogen schon in der Aufnahmephase des Kindes im Kinderdorf, die leibliche Familie einzubeziehen, erzählt Brigitte Jacobs weiter: „Wenn möglich, sind die Eltern bei allen Gesprächen mit dem Jugendamt dabei.Sie schauen sich das Kinderdorf an, lernen so den neuen Lebensraum des Kindes kennen und erleben in den ersten Gesprächen, dass die Pädagogen des Kinderdorfes eine Zusammenarbeit mit den Eltern wünschen.“ Trotzdem fällt es schwer zu akzeptieren, dass sich der Lebensmittelpunkt des Kindes nun verschiebt und dass für die zukünftigen Kontakte Absprachen getroffen werden müssen. Über Art, Umfang und Gestaltung der Kontakte wird im Hilfeprozess beraten und entschieden. Hier muss sehr individuell geprüft werden, was möglich ist und wie Kontakte für das Kind positiv gestaltet werden können. „Viele persönliche Kontakte zwischen dem Kind und der Familie finden begleitet statt. Kind und Eltern sind oft unsicher und überfordert. Die Begleitung dient der Unterstützung und Sicherheit. Sie hilft bei der Gestaltung des Besuchs und bemüht sich um eine entspannte Atmosphäre, damit alle das Miteinander genießen können.“ Neben den persönlichen Kontakten finden häufig auch Telefonate zwischen dem Kind und der Familie statt. Für diese Telefonate gibt es meist, aus organisatorischen Gründen, feste Termine.
Wenn die Kooperation mit den Eltern gelingt und die Besuche für das Kind positiv sind, findet bis zu einmal im Monat ein Treffen statt. Es gibt aber auch Kinder, die nur sporadisch von ihren Eltern hören, oder bei denen sogar jeder Kontakt zur leiblichen Familie fehlt. „Manche Eltern sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie einen zuverlässigen Kontakt nicht
leisten können. Sie halten Treffen und Verabredungen nicht ein“, sagt Jacobs. „Wenn wir dann sehen, wie sehr die Kinder darunter leiden, ist es auch erlaubt, dass wir schon mal enttäuscht sind.“
Manchmal würde auch nach Absprache mit dem Jugendamt der Kontakt eingeschränkt, so die Erziehungsleiterin weiter: Immer wieder komme es vor, dass die leibliche Familie die Unterbringung nicht akzeptieren kann, mit dem Kind die Rückkehr zur Familie thematisiert, sich negativ über das Kinderdorf äußert oder „Erwachsenenthemen“ mit dem Kind bespricht. Wenn der Besuch das Kind zu sehr verunsichert und belastet, ist es notwendig, ihn einzuschränken. Im Kontakt mit den Kindern wird das angemessen erklärt, weh tut es trotzdem: Denn Eltern bleiben Eltern.
Ann-Katrin Roscheck, Schwalmtal