Bethanien Kinderdorf feiert fünf Jahre Standort Hunsrück
Vom Rheingau in den Hunsrück: Die stetig steigende Nachfrage an Betreuungsplätzen in der stationären Jugendhilfe lässt das Bethanien Kinder- und Jugenddorf Eltville wachsen. Nach dem soeben begangenen 60-jährigen Jubiläum feiert die Jugendhilfeeinrichtung mit ihrem fünfjährigen Bestehen im Hunsrück nun einen weiteren Meilenstein seiner Unternehmensgeschichte.
Quo vadis Bethanien Kinderdorf Eltville?
Diese Frage stellt sich das Leitungsteam der traditionsreichen Jugendhilfeeinrichtung vor genau zehn Jahren. „Fest stand, dass wir unser Platzangebot an Regelwohngruppen für Kinder und Jugendliche vergrößern möchten. Zusätzlich wollten wir aber auch ein Intensivangebot einrichten, um Kinder, die temporär eine intensivere Betreuung benötigen, weiterhin unter unserem Dach betreuen zu können und Bindungsabbrüche zu verhindern“, erzählt Kinderdorfleiter Thomas Kunz. Nach der räumlichen Expansion des Bethanien Kinder- und Jugenddorfs Eltville an unterschiedliche Standorte im Rheingau-Taunus-Kreis ist guter Rat teuer. Weitere Immobilien zur Erweiterung des Platzangebots zu finden, erscheint aussichtslos. Die Immobilienpreise steigen konstant, bezahlbares Bauland ist kaum zu finden. Also streckt das Leitungsteam seine Fühler in Richtung Hunsrück aus – mit Erfolg!
Grundgedanke des Miteinanders
„Durch die Eröffnung unserer Intensivgruppe in der Taubenmühle bei Külz führt der Weg, den Gründungsschwestern 1961 in Richtung Rheingau eingeschlagen haben, weiter in ein neues Bundesland“, so Kunz. Die Taubenmühle, die Platz für sechs Jungen bis 13 Jahre bietet, bleibt 2020 nicht lange das einzige Jugendhilfeangebot Bethaniens auf rheinland-pfälzischer Seite. Im Mai 2020 – mitten in der Corona-Pandemie – kommt das alte Pfarrhaus in Pleizenhausen dazu. „Ich erinnere mich noch gut an die Anfangszeit und all die Corona-Auflagen, die wir mit unseren ersten drei Kindern im alten Pfarrhaus erlebten“, sagt Thomas Pies, Gruppenleiter der ersten Hunsrücker Regelwohngruppe. Für den 43-jährigen Pädagogen stellt der Start im Hunsrück eine Rückkehr in die Heimat dar. Der Kastellauner arbeitet bis 2020 im Bethanien Kinder- und Jugenddorf Eltville bevor er seine Eltviller Wirkungsstätte gegen Pleizenhausen eintauscht. „Der bethanische Grundgedanke des Miteinanders hat mich geprägt.“, sagt Pies. Den „bethanischen Geist“ gibt er regelmäßig auch an neue Kolleginnen und Kollegen weiter. „Viele der heutigen Gruppenleitungen im Hunsrück haben bei uns in Pleizenhausen angefangen“, erzählt Pies. Das Haus und der große Garten in Pleizenhausen bieten neun Kindern ein Zuhause, vier von ihnen sind bereits seit der Öffnung 2020 hier zuhause. Auch Johannes Erbes, Gruppenleiter der Intensivgruppe Taubenmühle, erinnert sich gerne an den Start Bethaniens im Hunsrück. „Für mich bietet die Kombination aus Bauernhof und tier- und naturnaher Pädagogik mit umliegendem Wald Chancen zum Wachsen für Groß und Klein.“ Erzieher David Dinges, ebenfalls Mann der ersten Stunde in der Taubenmühle, ergänzt: „Unsere fünf Alpakas spiegeln das Verhalten der Kinder; sind sie ruhiger, lassen sich die Tiere streicheln. Jeden Donnerstag ist bei uns Stallpflege angesagt, die Kinder lernen so spielerisch Verantwortung zu übernehmen.“
Das Erfolgskonzept Hunsrück geht auf: In den Folgejahren 2022, 2023 und 2024 expandiert das Bethanien Kinderdorf weiter: Mit der Wohngruppe Biebern I wird ein altes Bauernhaus eröffnet, im nahen Rheinböllen kommt eine Gärtnerei mit Wohnhaus dazu und ein weiteres Pfarrhaus in Biebern – nun Wohngruppe Biebern II – bietet als fünfte Wohngruppe im Rhein-Hunsrück-Kreis Kindern und Jugendlichen ein Zuhause, außerdem bietet das Interkulturelle Trainingswohnen im Hunsrück jungen Menschen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren Unterstützung, Hilfestellung und Krisenbewältigung durch die Möglichkeit zum Trainingswohnen.
Eröffnung einer neuen Inobhutnahmegruppe
In diesem Herbst wird der Hunsrücker Standort des Bethanien Kinder- und Jugenddorfs Eltville eine weitere Expansion erfahren – eine Gruppe für sechs Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren wird dann in einem umfangreich renovierten Bauernhof eröffnet. Die Inobhutnahmegruppe Tannenhöfe I bietet auf über 300 Quadratmeter Wohnfläche und knapp fünf Hektar Außengelände viel Platz – der Ausbau der angegliederten Scheune als offene Werkstatt für sämtliche Hunsrücker Gruppen ist in Planung. „Die Eröffnung neuer Gruppen sowie die Ausstattung ist uns nur möglich durch die finanzielle Unterstützung von Spendern“, erklärt Kunz.
Büroräume Simmern und Ambulante Hilfen
Die Erweiterung des Kinderdorfs in den Hunsrück, die sich in einer Rekordzeit von fünf Jahren vollzieht, bringt auch die Schaffung neuer Büroräume vor Ort mit sich. „In diesem Jahr konnten die zuständigen Erziehungsleitungen und der Psychologische Fachdienst Räumlichkeiten mitten im Stadtzentrum von Simmern beziehen“, berichtet Thomas Kunz weiter. „Mit diesem Schritt, einen eigenen Psychologischen Fachdienst vor Ort zu schaffen, haben wir nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal in der Region, sondern möchten damit auch unser Angebot im Ambulanten Bereich ausbauen“, erklärt der Kinderdorfleiter. So sei es erstmals möglich, das gesamte Spektrum an Hilfsangeboten in der Jugendhilfe anzubieten. Ambulante Hilfen zur Erziehung werden Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie deren Eltern angeboten, bei denen die jungen Menschen ihren Lebensmittelpunkt in der Familie beibehalten und sich die Hilfe auf die Bewältigung von Problemlagen an diesem Lebensort richtet.
Herausforderungen und neue Strukturen
Rückblickend bezeichnet Kunz vor allem das erste Jahr im Hunsrück als herausfordernd. „Zum einen galt es im neuen Umfeld mit der Pandemie, die ebenso neu war, umzugehen, zum anderen mussten Strukturen zwischen den Standorten im Rheingau und im Hunsrück gefunden werden.“ Auch wenn der regionale Spagat nicht immer einfach war, habe sich die vernetzte Zusammenarbeit innerhalb der Gruppen im Hunsrück mit den Rheingauer Gruppen schnell gefunden. „Heute sind wir im Hunsrück sowohl eine etablierte Größe im Bereich der Jugendhilfe als auch mit aktuell 60 Mitarbeitenden als attraktiver Arbeitgeber in der Region“, resümiert Kunz.