Seit sieben Jahren leben zwei Töchter von Frau S. im Kinderdorf, diesen Sommer konnte „die Große“ (11 Jahre) wieder zur Mama zurückziehen. Frau S. hat mir als Bezugspädagogin für die 11-jährige Vivien erzählt, wie sie das Kinderdorf erlebt und warum ausgerechnet hier ihre Kinder ein Zuhause gefunden haben.
Das Kinderdorf wurde vom Jugendamt vorgeschlagen. Als die beiden Töchter dort einzogen, kannte die Mutter es nur aus Erzählungen. An der Vorstellung eines Kinderdorfes gefiel ihr, dass es nicht den Charakter eines Heimes habe, sondern vielmehr den eines kleinen Dorfes und „etwas von Familie“. Um die Eingewöhnung der Kinder zu erleichtern, bestand während der ersten Wochen kein Kontakt zwischen Mutter und Töchtern. Diese Zeit beschreibt Frau S. als sehr schlimm. Es sei schwer gewesen, sich damit auseinandersetzen zu müssen, dass die Kinder nun nicht mehr bei ihr lebten, sondern in einer fremden Umgebung. Nicht zu wissen, wie es dort sei und wie es ihnen gehe, sei nicht leicht gewesen.
Als sie das Kinderdorf dann zum ersten Mal besuchte, sei dies mit gemischten Gefühlen verbunden gewesen. Einerseits, so sagt sie, sei das Kinderdorf sehr schön gewesen und habe ihren Vorstellungen entsprochen. Dennoch überwog in dem Moment das Gefühl, dass die Kinder nun hier bleiben würden und sie diese zurücklassen müsse. In der ersten Zeit habe sie die Kinder dann in den jeweiligen Gruppen besucht und auch die Pädagogen kennengelernt. Auch wenn diese sie freundlich empfingen, sei es gleichzeitig auch seltsam gewesen, mit Fachkräften zu tun zu haben. Frau S. erzählt ehrlich, sie habe zunächst nicht gewusst, wie sie sich den Pädagogen gegenüber verhalten solle, habe Angst gehabt, etwas falsch zu machen und sei deswegen auch im Kontakt mit ihren Kindern zunächst gehemmt gewesen. Dies habe sich im Laufe der Zeit gebessert. Den Kontakt zwischen Pädagogen und Eltern beschreibt Frau S. als ganz wichtig: „Es ist ein ganz wichtiger Austausch […]“. Auch dass es für jedes Kind einen Hauptansprechpartner gab, sei sehr hilfreich gewesen: „So gab es immer einen bestimmten Ansprechpartner, den man anrufen konnte und der über alles Bescheid wusste“. Je mehr Zeit vergangen sei, desto mehr habe sie so akzeptieren können, dass die Kinder noch einige Jahre im Kinderdorf bleiben würden. Sie sagt: „Aber dann hast du wenigstens ein gutes Gefühl und kannst sagen, okay, da kann ich meine Kinder lassen, da wird sich drum gekümmert. Da kann man dann mit einem guten Gefühl nach Hause fahren.“
Auch wenn es ein paar Situationen gab, in denen sie sich gewünscht hätte, direkter eingebunden zu sein: Frau S. sagt, sie habe das Gefühl gehabt, am Leben ihrer Kinder beteiligt gewesen zu sein und alles Entscheidende miterlebt zu haben. Besonders schön seien z.B. die Geburtstagsfeiern im Kinderdorf, Einschulung und Taufe gewesen. Sie mochte es, nicht einfach nur dabei zu sein, sondern eingebunden zu werden. „Wir haben zusammen das Kleid gekauft, wir haben daraus einen schönen Familientag gemacht und waren in der Stadt. Und ich glaube, das war nicht nur wichtig für mich als Mutter, sondern auch für das Kind!“ „Als Gast habe ich mich die letzten Jahre ehrlich gesagt gar nicht mehr gefühlt. Ich wurde und werde mit offenen Armen empfangen und eingebunden. Das tut gut!“, resümiert die 31-Jährige.
Claudia Steil, Pädagogin Bergisch Gladbach