Tradition ohne Schnickschnack

Als der Trommlerchor Schwamltal-Amern nach der Familienmesse in der Kinderdorfkapelle auf die bunt geschmückte Allee mit den Holzbüdchen zog und bekannte Martinslieder anstimmte, fühlte sich der Auftakt gleichzeitig festlich und vertraut an. Es gibt Tage, an denen das Wetter nicht viel hergibt – aber die Menschen umso mehr. Der vergangene Sonntag war genau so ein Tag. Grau, nass, herbstlich – und trotzdem voller Licht. Nicht unbedingt von der Sonne, sondern von Begegnungen und besonderen Momenten der Tradition des Martinsmarktes, die seit 1969 im Schwalmtaler Kinderdorf gelebt wird.

Selbstgestaltete Schätze in den Martinsbuden

An den Ständen der bethanischen Kitas wurden eifrig Steine bemalt und Sensorik-Bällen gebastelt, während am Stand der Wohngruppe „Gartenhaus“ bunter Baumschmuck angefertigt wurde.

Ein geruhsamer Höhepunkt war wie jedes Jahr das Kerzenziehen in der Freizeitwerkstatt. Gedämpftes Licht, der Duft warmen Wachses, konzentrierte Kinder und Eltern – Kerzenziehen erfordert Geduld, Schicht für Schicht. Vielleicht wirkt diese Tradition deshalb so tief: Sie entschleunigt, verbindet und zeigt, wie etwas wachsen kann, wenn man ihm Zeit gibt.

Eine Besucherin, mit zwei Kindern im Schlepptau und beladen mit einer großen Tasche, kam strahlend aus der Secondhand Boutique „Wie neu“: „Ich freue mich, dass ich hier günstig warme Jacken in so toller Qualität kaufen konnte. Nun sind meine Kinder für den Winter gewappnet“. Eine ihrer Töchter zog derweil ungeduldig in Richtung der Mitmach-Angebote.

Ein Fest der Werte

Dass Teilen im Kinderdorf mehr ist als ein symbolischer Akt, macht Kinderdorfleiterin Julia Bartkowski deutlich: „Auch wenn wir selbst auf Spenden angewiesen sind, möchten wir den bei uns lebenden Kindern und Jugendlichen zeigen, wie wichtig es ist, abzugeben.“ „Daher spenden wir jedes Jahr die Hälfte des Erlöses aus dem Martinsmarkt an den Viersener Verein AWA, der in Afrika Schulen baut, Kitas unterstützt und Ausbildungswege für benachteiligte Kinder ermöglicht.“

Der Martinsmarkt braucht keine spektakulären Neuerungen. Gerade das macht ihn besonders: die Mischung aus Verlässlichkeit, Engagement und echter Begegnung. Ein Ort, an dem Tradition nicht alt wirkt, sondern relevant.

Auch im kommenden Jahr wird der Martinsmarkt wieder am Sonntag nach dem Martinstag im Bethanien Kinderdorf Schwalmtal stattfinden. Den 15. November 2026 dürfen sich also alle Interessierten gern schon einmal vormerken!