Noch im vergangenen Jahr war der 100. Geburtstag von Gottfried Böhm im Januar mit einer Fotoausstellung und einem Tag der Offenen Tür im Bethanien Kinderdorf in Refrath groß gefeiert worden. Beide Veranstaltungen stießen auf großes Interesse der Öffentlichkeit. „Die Architektur Böhms spricht für sich“, sagt Sr. Monika, die seit dem Bau des Kinderdorfes Ende der 1960-er Jahre in Refrath lebt und in mehr als 50 Jahren tausenden Besuchern des Kinderdorfes Böhms Wirken als Architekt und den Menschen Gottfried Böhm nähergebracht hat.
Als einer der vier Böhm-Bauten in Bergisch Gladbach steht das Kinderdorf seit 2011 unter Denkmalschutz, ist es doch im typischen Baustil Böhms als Paradebeispiel der Architekturform des Brutalismus entstanden.
„Die Architektur von Gottfried Böhm, mit der Kirche mitten im Dorf und der Möglichkeit, sich im Rund des Kinderdorfes immer wieder zu begegnen, prägt das Leben im Bethanien Kinderdorf Bergisch Gladbach bis heute sehr positiv mit,“ würdigt Kinderdorfleiterin Jutta Menne das Konzept von Architekt Gottfried Böhm. Die Kinder und Jugendlichen nutzen täglich bis heute die Möglichkeit, auf ihren Skateboards, mit Fahrrädern und Kettcars durch das großzügig angelegte Gelände zu fahren. Neue Kinder und Mitarbeitende kommen so schnell miteinander ins Gespräch. Man sieht und begegnet sich täglich, ist ein Dorf im besten Sinne.
Prof. Gottfried Böhm hat Ende der 60-er Jahre die Idee eines Kinderdorfes auf geniale Weise in der Architektur sichtbar werden lassen. Als Gewinner eines Architektenwettbewerbs bekam er den Zuschlag für die Planung: Rund um die Kirche gibt es einen kleinen Dorfplatz mit Kiosk, Nähstube, Musikangebot, der Verwaltung und der Schwesternpforte. In einem zweiten Kreis stehen die Wohnhäuser der Kinderdorffamilien und -Wohngruppen, sowie das sogenannte Turmhaus, in dem das Heilpädagogische Angebote und Aktionen des Pädagogischen Fachdienstes stattfinden. Für Architekturstudenten ist das Kinderdorf bis heute ein Ziel von Studienfahrten.
Gottfried Böhm und seine 2012 verstorbene Ehefrau Elisabeth, die Innenarchitektin, blieben dem Kinderdorf bis ins hohe Alter verbunden. Sie kamen gerne zu Gottesdiensten in die Kinderdorfkirche. „Böhm war sehr interessiert an der menschlichen Gemeinschaft, hatte aber auch immer das Spirituelle im Blick, wie man an vielen Details in der Kirche und im Dorf sehen kann“, sagt Sr. Monika. Diese Dimension, die über das direkt Sichtbare hinausgeht, ist in ihren Augen ein Grund, warum die Architektur Böhms bis heute die Menschen anspricht.
„Jedes der drei Bethanien Kinderdörfer hat seine eigene Geschichte und eine jeweils eigene Ausstrahlung durch die Lage und die Architektur. Der Böhmsche Kinderdorfbau ist im Verbund besonders und besticht durch seine durchgehenden Linien, jedes Detail drückt Zusammenhalt und Gemeinschaft aus,“ würdigt der Geschäftsführer der Bethanien Kinderdörfer, Dr. Klaus Esser, die Leistung des Kölner Architekten.
Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, nachdem es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind großzuziehen. Dieses bildet die Architektur Gottfried Böhms im Bethanien Kinderdorf auf das Beste ab.