Manche Kinder feiern das erste Mal Weihnachten im Kinderdorf, ein richtiger Weihnachtsbaum, gemeinsames Singen und Geschenke auspacken kennen viele Kinder nicht. Seit 25 Jahren ist Susanne Kinderdorfmutter im Haus 3 im Bethanien Kinderdorf Eltville. Susanne berichtet wie sie gemeinsam die Weihnachtszeit verbringen.
Jedes Jahr zeigt sich aufs Neue wie wichtig Traditionen für die Kinder sind. Traditionen geben ihnen Halt und schenken ihnen einen Rahmen – das ist besonders schön, aber auch wichtig in der Adventszeit.
Traditionell schmücken wir zum ersten Advent unser Haus 3 gemeinsam. Die Weihnachtsdekoration ist seit Jahren die gleiche. Die Kinder hängen Sterne ins Fenster und sortieren die Lichterketten. Auch die Wunschzettel werden frühzeitig gebastelt. Da ich für neun Kinder Geschenke organisiere und verpacke, ist die Wunschzettelabgabe bereits am ersten Advent. Die Kinder lieben es in der Weihnachtszeit gemeinsam Bücher zu lesen. Letztes Jahr habe ich den kleineren Kindern jeden Abend gemütlich „den Lebkuchenmann“ vorgelesen. Die größeren Kinder mögen es spannender, die Adventsbücher der „drei ???“ mit kleinen Rätseln am Ende sind bei ihnen beliebt. Beim Vorlesen gehören natürlich auch Plätzchen dazu. Plätzchenbacken ist eine feste Tradition in unserer Kinderdorffamilie. Wenn der Duft durchs Haus zieht, dann zieht auch die Weihnachtszeit ein. Jedes Kind darf sich eine Sorte wünschen. Berfins Lieblingsplätzchen sind zum Beispiel Pferfferminzkekse und Joel liebt Vanillekipferl. Samstags, wenn mehr Zeit ist als im Alltag, backen wir alle zusammen Buttergebäck. Besonders für die kleineren Kinder ist das ein großer Spaß, da sie auf die Plätzchen gaaaanz viele Streusel streuen können, Hauptsache richtig bunt! Manchmal, wenn es tagsüber zu trubelig ist, backe ich auch abends, wenn die Kleinen schon im Bett sind, Plätzchen. Dann gesellen sich die Jugendlichen dazu und helfen, so entstehen immer wieder tolle Momente und gute Gespräche.
Am 6. Dezember kommt traditionell der Nikolaus in unsere Kinderdorffamilie. Auch wenn die großen Kinder eigentlich wissen, dass es den Nikolaus nicht gibt, hat es dann doch eine gewisse Faszination. Sie versuchen anhand der Schuhe heraus zu finden, wer sich in diesem Jahr als Nikolaus verkleidet hat.
Einen Tag vor Heiligabend stellen wir den Weihnachtsbaum im Wohnzimmer auf. Nach dem Abendessen wird der Baum mit den Kindern geschmückt. Alle packen fleißig mit an, für die Kinder ist es sehr wichtig, dass hier die Tradition gelebt wird. Der Weihnachtsschmuck ist seit 25 Jahren der gleiche und hat einen sehr hohen emotionalen Wert. Den Schmuck haben die Schwestern vor Jahren selbst gemacht, es sind gehäkelte Anhänger, Papierkugeln und aus Stroh geformte Sterne und Tiere. Auch selbstgebastelte Schmuckstücke der Kinder finden ihren Platz am Baum. Außerdem darf die Krippe natürlich nicht fehlen.
Das macht Weihnachten aus, dass es immer das gleiche ist – wie in den Jahren davor. Dies gibt den Kindern Sicherheit. Das Essen an Heiligabend ist bei uns Zwiebel-Sahne-Fleisch mit Kroketten. Die Kinder lieben es. Es wird die weiße Tischdecke rausgeholt und das gute Geschirr. Jedes Kind hat ein besonderes Weihnachtsoutfit, das schon seit Wochen mit einem kleinen Zettel am Bügel im Schrank hängt. Auch ehemalige Kinder kommen gerne zu Weihnachten nach Hause und feiern mit uns gemeinsam das Weihnachtsfest.
Es gibt aber auch die dunklen Seiten. Gerade an Heiligabend gab es auch schon emotionale Zusammenbrüche. Der Heilige Abend ist ein Familienfest, da wird den Kindern besonders bewusst, dass sie nicht bei ihrer Familie sein können oder von ihrer leiblichen Familie nicht gewollt sind.
Eine Jugendliche sagte mal: „Es ist traurig, hier im Kinderdorf geben sich alle so viel Mühe, es wird alles so liebevoll gestaltet, obwohl es nicht meine eigene Familie ist.“ Sie fügt hinzu: „Ich habe meine Ersatzfamilie gefunden, mit allen Höhen und Tiefen und mir mein neues Zuhause aufgebaut.“