Zu Beginn des Jahres 2020 erreichte Deutschland und die gesamte Welt die Krise um das neuartige Corona Virus, das die Krankheit Covid-19 verursacht. Im Anfang gab es bereits einen expansiven Anstieg der Erkrankungen und die ersten Todesfälle in Deutschland. Die Politik reagierte mit erheblichen Einschränkungen insbesondere des sozialen und geschäftlichen Lebens zur Verhinderung der Ansteckung und zur Verlangsamung der Anstiege der schweren Krankheitsverläufe.
Für die Kinderdörfer bedeutete diese Situation erhebliche Herausforderungen.
Kitas und Schulen wurden am 16.03.2020 bundesweit geschlossen, es gab „Betretungsverbote“. Zugleich wurden die Kitas und Schulen verpflichtet, die Kinder der Personen (Schlüsselpersonen), die in Einrichtungen der „kritischen Infrastruktur“ oder „systemrelevanten Bereichen“ tätig sind, weiter zu betreuen, auch an Wochenenden und in den Ferien. In NRW war von vornherein geklärt, dass die stationäre Jugendhilfe und die Kitas ebenfalls zur kritischen Infrastruktur gehören und deren Mitarbeitende damit die Berechtigung zur Kinderbetreuung haben. In Hessen war diese Zuordnung eine Zeit lang unklar.
Ein Kinderdorf kann im Gegensatz zu einer Schule oder einem Büro weder geschlossen, noch im Homeoffice betrieben werden. Für die stationären Gruppen stellte sich die Herausforderung, dass die Kinder und Jugendlichen einer zeitlich deutlich erweiterten Betreuung bedurften, wofür die Personalausstattung nicht vorgesehen war. Die Kinder und Jugendlichen waren rund um die Uhr zu betreuen, ohne Abwesenheiten während der Schulbesuche und Kindertagesbetreuung, ohne Freizeitgestaltung z.B. im Sportverein außerhalb der Gruppe, ohne Treffen mit Freunden, ohne Besuchswochenenden bei der Familie.
Nicht nur der zeitliche Umfang der Betreuung wurde ausgeweitet, auch die Aufgaben in dieser Zeit wurden intensiver. „Homeschooling“ gehörte plötzlich zu den Aufgaben der PädagogInnen, allein dieser Bereich führte zu neuen Tagesabläufen und Betreuungsaufgaben je nach Alter und Schulform. Die Kinder und Jugendlichen der Kinderdorffamilien und Wohngruppen durften von einem auf den anderen Tag die Häuser nicht mehr ohne Betreuung verlassen. Für Spielplatznutzungen und Außenaktivitäten wurden in den Teams Tages- und Wochenpläne erstellt und in den Kinderdörfern Regelungen entwickelt. Die dauerhafte Präsenz von 5 bis 10 Kindern im Haus stellte die Mitarbeitenden vor neue Aufgaben und erforderte eine erhebliche Ausweitung der Dienstzeiten für Mitarbeitende. Eltern- und Familienkontakte wurden ausgesetzt und es war lange nicht absehbar, wann diese wieder stattfinden würden.
Diese Corona Sondersituation erforderte von Mitarbeitenden und Leitungen eine ständige Anpassung an die neuen Lagen, deutliche Mehrbelastung für alle Beteiligten und einen umfangreicheren Zeitbedarf des Personals. Für den Fall der Erkrankung eines oder mehrerer Kinder, welche die Präsenz von Mitarbeitenden und ein erhöhtes Risiko bedeuten, wurden Notfallpläne entwickelt.
Hygiene- und Schutzmaterial wurden durch die öffentlichen Behörden für die Kinder- und Jugendhilfe nicht vorgesehen, von daher wurden in Eigenregie kurzfristig zusätzliche Seifen- und Desinfektionsspender angeschafft und angebracht, Hände- und Flächendesinfektionsmittel sowie Mundschutze und Schutzkleidung besorgt.
Die Schließung der Kindertageseinrichtungen in Eltville und Schwalmtal führte zu einem verringerten Mitarbeitereinsatz für die Notbetreuung der Kinder von „Schlüsselpersonen“. Die Kita-Mitarbeiterinnen, die nicht im Einsatz in der Kita benötigt wurden, haben in den stationären Kinderdorfgruppen mit ausgeholfen und haben wertvolle Hilfe bei der Tagesgestaltung, bei Freizeit und Spiel geleistet und damit die zusätzlichen Aufgaben der Kinderdorffamilien und Wohngruppen aufgefangen. Das hat auf der einen Seite geholfen und entlastet, aber auch das Gefühl der Solidarität und der Zusammengehörigkeit der Bethanien-Mitarbeiterinnen deutlich positiv bestärkt. Insgesamt besteht der Eindruck, dass die Kinderdörfer intern mit den jeweiligen Kinderdorffamilien und Gruppen noch enger zusammengewachsen sind und dass die Krise auch Entwicklungspotentiale freigesetzt hat.
Ende April begannen die ersten Lockerungsmaßnahmen und Öffnungen in der Corona-Pandemie, nach dem etwa sechs Wochen lang eine komplette Schließung des öffentlichen Lebens stattgefunden hat. Der Schulbesuch für einige Jugendliche ist wieder angelaufen, die Verpflichtung zum Schulbesuch ist alters- und jahrgangsabhängig, und kommunal und von Schule zu Schule sehr unterschiedlich geregelt.
Für die Elternbesuche und andere soziale und fachliche Kontakte wurden neue Regelungen beraten und Hygiene- und Schutzmaßnahmen eingeführt, die erst noch erprobt werden müssen. Wenn es Fragen rund um den Umgang mit der Corona-Pandemie in den Bethanien Kinderdörfern gibt, wenden Sie sich bitte an die Ansprechpartner der jeweiligen Kinderdörfer.
Dr. Klaus Esser, Geschäftsführer der Bethanien Kinderdörfer