Der Schulalltag in der Heilpädagogischen Trainingsklasse (HTK) im Bethanien Kinder- und Jugenddorf ist wie in einer anderen Schule, und doch auch anders. Im Klassenzimmer befinden sich bis zu sechs Kinder, unterrichtet werden sie von zwei Lehrerinnen der Sonderpädagogik, die von einer Diplom Heilpädagogin des Kinderdorfes unterstützt werden. Dem Lehrplan und geregelten Alltag einer Grundschule können die Kinder nicht ohne Weiteres folgen, zu verschieden und anspruchsvoll ist ihr Förder- und Unterstützungsbedarf. Jetzt feiert das Kooperationsangebot zwischen dem Kinderdorf und der Verbundschule Mitte sein zehnjähriges Jubiläum.
Als Modellprojekt geboren, wurde es zum einzigartigen und zugleich auch exklusiven Förderangebot für Kinder im Grundschulalter im Rheinisch Bergischen Kreis. Einzigartig, weil es nicht viele Angebote dieser Art im näheren Umfeld gibt und exklusiv, weil die Form der Förderung mit dem hohen Betreuungsschlüssel eine Besonderheit darstellt, die so selbst in einer Regelklasse der Förderschule nicht möglich wäre. Die Kooperationsmaßnahme mit der Verbundschule Mitte in Refrath gibt es seit zehn Jahren. Sie richtet ihren Fokus auf die schulische Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in den Bereichen des Lernens, der sozialen und emotionalen Entwicklung und der Sprache. „Ziel der heilpädagogischen Trainingsklasse ist immer die Reintegration von Kindern, die darauf vorbereitet werden sollen, später eine reguläre Klasse der Förderschule oder Regelschule besuchen zu können. Der hohe und hochqualifizierte Personalschlüssel, strukturierte Tagesablauf und sichere Raum geben den Jungen und Mädchen die Chance, sich zu entwickeln und wichtige Lernerfolge zu erzielen“, erklärte Erziehungsleiterin Elvira Killat vom Bethanien Kinder- und Jugenddorf. Anleitung erfahren sie in vier Förderbereichen: Verhalten, Kommunikation. Sozialverhalten und schließlich Schulleistung. Jetzt trafen sich die Gründer und heutigen Akteure um das Jubiläum zu feiern und Bilanz zu ziehen. Diese besondere Maßnahme wurde durch eine Zusammenarbeit von Pädagogen des Bethanien Kinder- und Jugenddorfs mit der Verbundschule ins Leben gerufen, um dem wachsenden Bedarf an intensiven Förderangeboten gerecht werden zu können. Bei der Analyse der Situation wurde deutlich, dass ein Ausbau dieses speziellen Angebotes durchaus von großem Nutzen sein könnte, wie Philipp Nagel, der Schulleiter der Verbundschule feststellte. Neben dem auf die besonderen Bedürfnisse eingerichteten Klassenraum verfügt die HTK auch über einen eigenen Schulhof mit speziellen Spielgeräten.
Seit der Gründung konnten insgesamt 27 Kinder an der Maßnahme teilnehmen und beschult werden. „In den letzten Jahren haben wir gemeinsam viel erreicht“, stellte Killat die gute Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen heraus. Sie verantwortet die HTK im Kinderdorf und begleitet ihre drei Kolleginnen, die schon lange dabei sind. Auch sie sind als Team zusammengewachsen und haben die Herausforderungen in der Jugendhilfe bei entwicklungsverzögerten und/oder verhaltensauffälligen Kindern angenommen. Es sei ein Ort für Kinder, die in einer kleinen Gruppe mit hohem Betreuungsschlüssel, das Lernen und das Miteinander positiv erleben können. Zehn Jahre HTK heiße aber auch den Blick nach vorne richten, den Fokus auf aktuelle Herausforderungen, wie neue Verhaltensbilder zu legen oder die Überlastung im System der Kinder- und Jugendhilfe mit guten Fachkräften auszugleichen, so Killat.
Gelangt ein Kind in ein Förderschulsetting, so führt der Weg dorthin über den Kindergarten oder die Schule. Diese stellt fest, ob ein Förderbedarf besteht. Der Zugang zur Heilpädagogischen Klasse wird über einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung nach §27. SGB VIII beim örtlichen Jugendamt gestellt. Die Entscheidung über die Aufnahme treffen dann Schule, Jugendamt und das Bethanien Kinder- und Jugenddorf. „Wir arbeiten seit zehn Jahren eng zusammen und wollen mit dem Angebot eine dem Entwicklungsstand angepasste emotionale, soziale und schulische Förderung möglich machen. Jedes Kind sollte eine Chance bekommen“, sagte Nagel. Bei dem Jubiläumstreffen sprachen Killat und Nagel allen Lehrkräften und Mitarbeitern ihren Dank aus. Elvira Killat stellte zudem klar, dass auch in Zeiten einer umfangreichen Inklusion und der Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen, Einrichtungen wie die HTK auch in Zukunft gebraucht werden, damit sich Kinder und Jugendliche selbst in ihrem eigenen Tempo entwickeln können. Die Einbindung der Eltern ist elementar. Der Kontakt zu ihnen nimmt in der Klasse eine zentrale Rolle ein. Ausführliche Beratungen, Hausbesuche, telefonische Sprechzeiten und regelmäßig vereinbarte Gespräche bilden das Rückgrat dieser Elternarbeit. Dass Eltern zu ihren Kindern stehen und mit ihnen das Leben dank des besonderen Förderangebot bestmöglich meistern wollen, ist ein wichtiger Faktor für Lernerfahrungen und damit auch Bildungserfolge. Ein Recht auf eine passende Schule und Integration – das Kooperationsprojekt im Bethanien Kinder- und Jugenddorf macht es vor.
Eine Idee, eine tolle Kooperation wurde 10 Jahre (v.l.n.r.): Andrea Broich-Gierenz , Bettina Türk-Werner, Elvira Killat, Kathrin Tennie, Philipp Nagel, Jutta Menne, Bruno Flock, Michael R. Hoffmann und Martin Schneider würdigten das Jubiläum im Kinderdorf Bethanien. (Foto: Bethanien Kinder- und Jugenddorf)